Aktuell wird der "Sinn" von Unternehmen in einer beeindruckenden Intensität neu verhandelt. Zwei Eindrücke dazu aus dieser Woche: Die strategische Unternehmensberatung Roland Berger hat eine ganze Schwerpunktausgabe ihres Entscheider-Magazins "Think: Act" dem Thema "Purpose" gewidmet. In Abwandlung der prägnanten Formel von Milton Friedman "The Business of Business is Business" läuft die aktuelle Ausgabe unter dem Motto "The Purpose of Business is Purpose". Dies ist eine eindrucksvolle Wandlung des Selbstverständnisses der Rolle von Unternehmen, die über den bisherigen Diskurs gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen, wie sie sich in der Corporate Social Responsibility (CSR) oder Corporate Citizen-Debatte zeigt, hinausgeht.
Welche Dynamik die Diskussion entfaltet, durfte ich gestern beim Sustainability Advisory Board von SAP erfahren. SAP hat unter dem Titel "Helping the world run better and improving people´s lives" eine eigene Kampagne gestartet (Vgl. exemplarisch den Film "Purpose Isn´t Just a World at SAP"). SAP kommt dabei als Prozess- und IT-Dienstleister für fast alle weltweiten Branchen und seine globale Präsenz eine besondere Katalysator und Ermöglicher-Funktion zu. Unter dem Purpose-Rahmen sind in letzter Zeit hoch interessante Initiativen entstanden: Sie reichen von einem "Zero Waste"-Framework bis zur "Learning for Life"-Intiative (https://www.sap.com/corporate/en/vision-purpose/learning-for-life.html).
All diese Beispiele knüpfen hervorragend an das an, was wir im Buch zur "Großen Transformation" als "Business Sustainability 3.0" thematisieren und von Katrin Muff und Thomas Dyllick im Kontext führender internationaler Business Schools entwickelt wurde (https://www.truebusinesssustainability.org/copy-of-typology): Ökologisches und soziales Engagement sind demnach nicht mehr nur als ergänzendes Element der eigentlichen Geschäftstätigkeit zu sehen, sondern unternehmerisches Handeln sollte konsequent von bestehenden gesellschaftlichen Herausforderungen her entwickelt werden.
Jedoch muss man aufpassen, dass hier nicht zu kurz gesprungen wird. Denn Unternehmen bewegen sich natürlich weiterhin in einem durch das ökonomische System und dessen Logiken vorgegebenen "Purpose-Rahmen". Und je nach Unternehmenstyp sind die darin entstehenden Freiräume für einen weitergehenden Purpose eng gesetzt. Das Management börsennotierter Kapitalmarktunternehmen hat hier in der Regel weniger Freiräume als ein Familienunternehmen oder ein Unternehmen in öffentlicher Hand, das für Zwecke der Daseinsvorsorge überhaupt erst gegründet wurde. Im Buch zur Großen Transformation werfen wir daher einen differenzierten Blick auf unterschiedliche Unternehmensformen (Vgl. Abbildung).
Und auch ein umfassender Systemblick darf bei der Purpose-Orientierung nicht fehlen. Nur ein Blick auf die indirekten Effekte moderner kapitalistischer Ökonomien zeichnet das gesamte Bild (Vgl. dazu den Beitrag "Wieviel Kapitalismuskritik braucht die Debatte über Nachhaltige Entwicklung?" auf diesem Blog).. "Re-Purposing" (Maja Göpel) kann daher nicht alleine auf der Ebene einzelner Unternehmen gelingen, sondern ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozeß.
Kurzum: "The Purpose of Business is Purpose" weist in die richtige Richtung in der Debatte über zukunftsfähige Unternehmen im 21. Jahrhundert. Seine Umsetzung ist voraussetzungsvoll. Er braucht Unternehmen, die als "strukturpolitische Akteure" auch eine ordnungspolitische Mitverantwortung wahrnehmen, damit neue Formen des Unternehmens-Purpose und sich wandelnde gesellschaftliche Sinn-Vorstellungen wirklich Hand in Hand gehen. Dann werden Purpose-getriebene Unternehmen tatsächlich zu einem zentralen Motor für die Große Transformation.