Die politisch Verantwortlichen stecken in diesen Tagen der Heißzeit- und Klimadebatte in einem großen Dilemma. Die Talkshows zum Thema von Anne Will und Maybritt Illner in den letzten Tagen haben das sehr deutlich gemacht. Angesichts der Sichtbarkeit der drohenden Klimakatastrophe scheinen die Handlungsnotwendigkeiten so klar und sind eine Steilvorlage für die markanten Forderungen von Klimaschützern und ökologischer Oppositionspolitik. Es entsteht gerade nach den Talkshows der Eindruck, man sei nur noch von seit vielen Jahren willensschwachen Politikern und charakterlosen Verbrauchern umgeben.
Dabei werden die politischen Handlungskonstellationen der letzten Jahre, die zur Abschwächung der Umwelt- und Klimapolitik geführt haben, genauso ausgeblendet wie das Wissen darüber, wie schwierig es ist, unsere Handlungsroutinen als Verbraucher zu verändern. Letztlich ist klar, dass genau diese Dilemmasituationen den politischen Alltag sofort wieder beherrschen werden, wenn der Rekordsommer einige Woche hinter uns liegt.
Die aktuellen Debatten machen die Sackgasse deutlich in der die Klima- und Nachhaltigkeitsdebatte steckt: Sie ist (1) politik- und gesellschaftswissenschaftlich unterkomplex, weil ihr ein ausdifferenziertes Transformationsverständnis fehlt (Siehe auch den Beitrag zur Transformationsforschung, die eine Klimaforschung begleiten muss) und sie ist (2) Handlungs-demotivierend, weil sie Akteure in einen Defensivmodus bringt und damit kreatives Handeln blockiert.
Wie könnte eine politische "Zukunftskunst" aussehen, die diese Fallen vermeidet? Sie braucht eine Haltung, die die im Klimaschutz zwangsläufig auftretenden sozialen Interessenskonflikte offen thematisiert und als motivierende Gestaltungsaufgaben wahrnimmt.
Eine sozialdemokratische Umweltpolitik könnte genau das leisten und damit die "grüne Frage wieder zu einer roten Frage" (Svenja Schulze) machen - die der Umweltschutz in seinen Anfangsjahren mit den Forderungen des "Blauen Himmels über Ruhr" durch Willy Brandt schon Anfang der 60er-Jahre einmal war.
Was wären die Prinzipien und die Haltung einer solchen Umweltpolitik?
1. Verbindlichkeit und Berechenbarkeit. Klimapolitik muss berechenbar sein und alle nach nachvollziehbaren Kriterien in die Pflicht nehmen. Nur dann können sich Menschen darauf einstellen und eine solche Politik als gerecht empfinden. Das vorgesehene Klimaschutzgesetz, das für alle Bereiche verbindlich definiert, wie die Klimaschutzziele umgesetzt werden sollen, weist einen solchen Weg.
2. Sozialer Ausgleich. Umweltpolitik muss Klima- und soziale Anliegen in einen fairen Ausgleich bringen ("Just Transition"). Dies darf nicht darüber passieren, dass engagierter Klimaschutz einfach verhindert oder verzögert wird. Politische Zukunftskunst bedeutet vielmehr, politische Instrumente voranzutreiben, die die Anforderungen in guter Weise verbinden: Kohleausstieg in Kombination mit guter regionaler Strukturförderung oder eine Öko-Steuer, deren Gesamterträge pro Kopf an alle Bundesbürger zurückfließen, stärken soziale Gerechtigkeit statt sie abzuschwächen.
3. Wohlstand. Eine ökologische Wohlstands- und Innovationspolitik, die Arbeitsplätze schafft oder städtische Lebensqualität durch eine kluge Mobilitätspolitik wieder für all diejenigen aufwertet, die sich kein Haus mit Garten im Grünen leisten können, verbindet Umweltpolitik mit sozialem Ausgleich.
Eine nach solchen Prinzipien gestaltete Umweltpolitik hat durchaus die Chance, die Menschen auf dem Weg zu einem engagierten Klimaschutz mitzunehmen. Politische Zukunftskunst heißt die Verbindung vielfältiger politischer Interessenkonflikte offen als Herausforderung anzugehen und damit Umweltpolitik in schwierigen Zeiten zu einer lustvollen Gestaltungsaufgabe zu machen. Eine sozialdemokratisch geprägte Umweltpolitik hat durchaus das Potenzial dazu.
Ich freue mich auf die morgige Diskussion mit Svenja Schulze!